Kaum etwas visualisiere ich im juristischen Kontext so häufig wie Dokumente. Kein Wunder: Im Recht geht nichts ohne Text auf Papier. Überall wimmelt es nur so vor Anträgen, Bescheiden, Klagen, Gutachten, Verträgen, Widersprüchen, Stellungnahmen, Erklärungen und Urkunden. Als Bild passt in allen Fällen das Rechteck mit Linien. Dieses beantwortet allerdings nicht im Ansatz die Frage, um was für eine Art von Dokument es sich handelt. Dabei wäre gerade das fürs Verständnis oft hilfreich. Wie Sie konkreter werden und sich der Vielfalt der Dokumente visuell nähern können, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Das Rechteck mit Linien ist zwar als Bild recht unspezifisch, das heißt aber nicht, dass Sie es in der Praxis nicht einsetzen sollten. Seine Einfachheit hat insbesondere den Vorteil, dass Sie das Motiv schnell zeichnen können und es sofort als Dokument erkennbar ist. Hat das Dokument im konkreten Fall mehr als eine Seite, ergänzen Sie noch zwei Linien, um ein weiteres Blatt anzudeuten (vgl. unten das Bild in der Mitte). Visuell aufwerten können Sie das Dokument, indem Sie es entrollen, so wie in der Darstellungsvariante rechts. Das passt z. B. zu Urkunden.
Eine Zeichenanleitung für das geschwungene Dokument finden Sie in meiner Zeichenserie „Bildvokabeln für den juristischen Alltag“.
Bei Dokumenten mit mehreren Seiten können Sie beim Visualisieren auch danach unterscheiden, wie das Dokument im konkreten Fall dargeboten wird: Passt ein geordneter Papierstapel besser oder eine lose Ansammlung von Blättern? Um Anlagen zu visualisieren, verbinden Sie die Blätter mit einer Büroklammer.
Dokumente mit Text versehen
Der eindeutigste Weg, die Art des Dokuments zu vermitteln, besteht darin, seine Bezeichnung auf dem Titelblatt zu platzieren:
Der Vorteil ist, dass kein Bild interpretiert werden muss und folglich auch keine Missverständnisse in Bezug auf die Bedeutung entstehen können. Allerdings haben Sie hier schnell ein Problem, wenn die Bezeichnung länger ist als bei den drei Beispielen. Dann müssen Sie den Text quetschen, ihn mehrfach trennen oder so klein schreiben, dass man man nicht mehr viel erkennen kann. In der Praxis ist die Visualisierung mit Text daher meist nicht zu empfehlen (zumindest nicht mit Text im Bild – außerhalb des Bildes können Sie natürlich entsprechenden Text ergänzen).
Die Art des Dokuments über seinen Inhalt visualisieren
Alternativ versehen Sie das Blatt Papier mit einem einfachen Bild, das den Inhalt des Dokuments auf den Punkt bringt. Selbst treffende Motive bergen zwar das Risiko der Mehrdeutigkeit, sie bieten aber zugleich die Chance, die Art des Dokuments auf der Bedeutungsebene zu erfassen und nicht allein auf der Begriffsebene. So macht die Daumen-hoch-oder-runter-Geste bei der Stellungnahme (siehe unten links) z. B. deutlich, dass in dem Dokument eine Bewertung abgegeben wird. Selbst wenn ein Mensch mit dem Begriff der Stellungnahme nicht viel anfangen kann, bekommt er so doch zumindest einen ersten Hinweis, um was es in dem Dokument geht.
Das Bild kann für sich stehen oder mit ein paar Linien kombiniert werden. Ohne Linien haben Sie mehr Platz für das Bild, mit Linien lassen Sie keinen Zweifel daran, dass es sich um ein Textdokument handelt.
Ist der Titel des Dokuments kurz genug, können Sie ihn auch mit einem Bild kombinieren. Diese Form der Visualisierung ist insofern ideal, als unser Gehirn solche Text-Bild-Kombinationen besonders gern mag. Aber wie gesagt: Meist scheitert das Vorhaben an der Länge des Textes.
Nachfolgend eine bunte Mischung an Dokumenten, bei denen der Anknüpfungspunkt für die Visualisierung der Inhalt des Dokuments ist. Wie Sie an den Beispielen sehen, können Sie bei der Visualisierung auch äußere Merkmale des Dokuments (z. B. Siegel bei der Urkunde) oder eine typische Darbietung der Inhalte (z. B. Tabelle beim Verarbeitungsverzeichnis) einbeziehen:
Auch Objekte oder Personen außerhalb des Dokuments lassen sich in die Visualisierung integrieren. Das zeigen die Beispiele der Produktbeschreibung und AGB in der vorletzten Zeile.
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass manche der oben aufgeführten Dokumente an die Darstellung eines anderen Dokuments anknüpfen. In Betracht kommt das insbesondere dann, wenn Sie zuvor auch auf das Ausgangsdokument eingegangen sind. Ein Beispiel ist die Mahnung, mit der der Gläubiger den Schuldner (nochmals) auffordert, die geschuldete und fällige Leistung zu erbringen, also die erhaltene Rechnung zu begleichen. Hier werden Sie vor der Mahnung die Rechnung erwähnt haben, sodass die Mahnung in der Art der Darstellung auf diese Bezug nehmen kann:
Ein weiteres Beispiel aus dem Steuerrecht: Eine Person teilt dem Finanzamt zunächst in der Steuererklärung mit, wie viel Geld sie eingenommen hat und welche steuerrelevanten Ausgaben sie hatte. Sodann erhält sie den Steuerbescheid, in dem das Finanzamt festsetzt, welcher Anteil der erklärten Einnahmen abzüglich der Ausgaben als Steuer an den Staat abzuführen ist bzw. einbehalten wird. Auch hier kann man beide Dokumente visuell aufeinander abstimmen:
Die Art des Dokuments über eine Handlung visualisieren
Manche Dokumentarten sind in erster Linie dadurch gekennzeichnet, dass man etwas Bestimmtes mit dem Dokument tut. Das gilt z. B. für das Handout, das an die Teilnehmer*innen einer Veranstaltung verteilt wird. Dann liegt es nahe, auch diese Aktivität zum Gegenstand der Visualisierung zu machen, indem z. B. eine entsprechende Handgeste ergänzt wird.
Oder die Handlung bezieht sich auf ein anderes Dokument, so wie bei der Kündigung, die einen Vertrag einseitig beendet:
Die Art des Dokuments über seine Herkunft visualisieren
Die Art des Dokuments kann sich auch daraus ergeben, wer es erstellt hat. So ist es beispielsweise beim anwaltlichen Schriftsatz. In solchen Fällen platzieren Sie die erstellende Person, Behörde etc. einfach vor dem Dokument. Die gleiche Vorgehensweise bietet sich an, wenn Sie im konkreten Kontext eher die Herkunft des Dokuments betonen möchten als dessen Inhalt (siehe unten das Beispiel Schreiben vom Amt) oder die Herkunft zusätzlich visualisieren wollen (siehe unten die Stellungnahme des Bundestages):
Eine alternative, etwas komplexere Darstellungsform wäre diese:
Mit den folgenden Bildern wollte ich ursprünglich nur die Staatsanwaltschaft und den Staatsanwalt visualisieren. Sie sind aber zugleich ein schönes Beispiel dafür, wie eng die Verbindung zwischen der erstellenden Person und dem Inhalt eines Dokuments sein kann: So besteht die wesentliche Aufgabe der Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde darin, Straftaten zu verfolgen und zur Anklage zu bringen. Die Anklageschrift rückt somit in der Sache und auch in der Visualisierung in den Fokus. Zugleich war mir die Geste der Vorhaltung wichtig. Die Art des Dokuments ergibt sich hier also nicht nur aus seiner Herkunft, sondern auch aus einer Handlung:
Die Art des Dokuments über die angesprochene Person oder Stelle visualisieren
Wollen Sie beim anwaltlichen Schriftsatz den Fokus eher auf das Gericht als Empfänger des Dokuments richten, wäre dies eine mögliche Visualisierung:
Welche Visualisierung im konkreten Fall am besten passt, hängt immer vom Kontext ab. Wichtig ist nur, dass die gewählten Motiven in sich konsistent sind, damit man den Inhalt anhand der Darstellung gut nachvollziehen kann. Zudem spielt eine Rolle, wie konkret Sie werden wollen oder müssen. Bei irgendeinem anwaltlichen Schriftsatz passen die obigen Motive, gehen Sie dagegen konkret auf Klage und Klageerwiderung ein, müssen Sie in Ihrer Visualisierung differenzieren. Das kann dann z. B. so aussehen:
Eine Zeichenanleitung für den Briefeinwurf finden Sie in meiner Zeichenserie „Bildvokabeln für den juristischen Alltag“.
Aktivitäten rund um Dokumente
In Visualisierungen werden Dokumente meist nicht nur als solche erwähnt, sie werden auch mit bestimmten Handlungen verbunden, z. B. werden sie gelesen, weitergereicht, zugestellt, geprüft oder gelöscht. Auch dazu habe ich ein paar Visualisierungsideen gesammelt:
Fazit
Wie Sie sehen, können Sie in visueller Hinsicht eine ganze Menge mit Dokumenten anstellen. Dabei gehen meine Beispiele nur auf eine kleine Auswahl von Dokumenten ein. Ich hoffe, die Zusammenstellung motiviert Sie, für Dokumentarten aus Ihrem Arbeitskontext selbst Bildmotive zu suchen und zu finden. Selbstverständlich können Sie meine Motive auch abwandeln oder mit anderen Bedeutungen versehen. Manchmal merkt man auch erst in einem konkreten Zusammenhang, ob ein Bild die Sache wirklich trifft oder nicht. Ich kann nur dazu einladen, es auszuprobieren und Visualisierungsideen entsprechend weiterzuentwickeln.
Seit Ende Januar 2022 finden Sie alle hier vorgestellten Zeichnungen in meiner Bilddatenbank Bildvokabeln Recht.