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3 Grundregeln für die Erstellung juristischer Schaubilder

„Schaubilder erstellen bei uns (wenn überhaupt) die Autoren.“ Das höre ich so oder ähnlich immer wieder von juristischen Fachverlagen. Gut daran ist, dass es ein gewisses Vertrauen in die Visualisierungskompetenz von Jurist(inn)en zu geben scheint, obwohl wir uns von Berufs wegen ja eher mit Texten auskennen. Was mir dagegen nicht gefällt ist, dass die veröffentlichten Schaubilder dieses Vertrauen häufig enttäuschen und offensichtlich niemand ihre Qualität überprüft. Oder fehlt am Ende nur der Beurteilungsmaßstab? Beides lässt sich ändern.

Die Qualität juristischer Schaubilder hängt im Wesentlichen davon ab, ob bei der Erstellung die folgenden drei Grundregeln beachtet werden.

Grundregel 1: Sorgen Sie für Ordnung

Ein Schaubild zu erstellen beschränkt sich nicht darauf, einige Textkästen irgendwie mit Pfeilen und Linien zu verbinden, um zu dokumentieren, dass alles mit allem zusammenhängt. Es geht vielmehr darum, Klarheit in Bezug auf die Struktur der Inhalte schaffen. Schaubilder, die Verwirrung stiften, braucht niemand.

Grundregel 1: Sorgen Sie für Ordnung

Doch wie vermeiden Sie das optische Chaos? Ganz einfach: Indem Sie Zeit investieren und bereit sind, sich die Struktur Schritt für Schritt zu erarbeiten. In der Regel wird Ihnen ein Text vorliegen. Schauen Sie zunächst, ob dieser strukturierte Rechtsinformationen enthält. Das kann z. B. eine Zeitabfolge sein, ein Verfahrensablauf, ein Prüfungsschema, eine Systematik oder Personenkonstellation. Zuweilen springt Ihnen die Struktur schon beim ersten Lesen förmlich entgegen, dann können Sie sofort loslegen mit Ihrem Schaubild. In anderen Fällen ist es deutlich schwieriger. Dann müssen Sie noch andere Quellen hinzuziehen und sich weiter in das Thema vertiefen, bis sich das Informationschaos in Ihrem Kopf sortiert hat und Sie die Struktur, die Sie visualisieren wollen, klar vor Augen haben. Möglicherweise schieben Sie dafür eine ganze Weile Textkästen hin und her, skizzieren immer wieder neu, verwerfen Ihre Entwürfe und beginnen wieder von vorne. Wichtig ist, dass Sie sich die Zeit für diesen Prozess nehmen, denn wenn Ihnen selbst irgendetwas inhaltlich nicht klar ist, wird Ihr Schaubild am Ende wahrscheinlich an genau dieser Stelle Mängel aufweisen.

Beenden Sie die Arbeiten am Schaubild erst dann, wenn Sie den Inhalt wirklich verstanden haben!

Im folgenden Beispiel geht es um die Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers im Steuerrecht. Die Skizze links stammt von Ulrich Schneider-Fresenius, Fachredakteur im Verlag Akademische Arbeitsgemeinschaft. Sie zeigt wunderbar die Komplexität des Themas und lässt erahnen, wie schwierig es zuweilen sein kann, eine klare Struktur herauszuarbeiten. Meinem Schaubild rechts sind folglich einige Arbeitsstunden vorausgegangen. Genau genommen ist es sogar die überarbeitete Fassung meines ersten Schaubildes zum Thema, das noch ein Querformat hatte.

Die Erstellung eines guten Schaubildes kostet unter Umständen viel Zeit. Umso größer ist aber der Gewinn für die Adressat(inn)en, denn das Schaubild nimmt diesen die Mühe ab, sich die Struktur selbst erarbeiten zu müssen, um den Inhalt zu verstehen.

Sobald Sie die inhaltliche Ordnung im Griff und aufs Papier gebracht haben, heißt es, ihr auch äußerlich gerecht zu werden: Ihr Schaubild soll einen aufgeräumten Eindruck machen. Dies erreichen Sie z. B. dadurch, dass Sie Kästen und Linien bündig ausrichten, Abstände vereinheitlichen und darauf achten, dass sich Linien nicht überschneiden. Darüber hinaus sollten Sie den zur Verfügung stehenden Platz sinnvoll nutzen, also vermeiden, dass sich in einer Ecke Informationen knubbeln, während in einer anderen zu viel Weißraum verbleibt. Was auch eine Rolle spielt, ist die Farbgebung. Setzen Sie wenige, gut aufeinander abgestimmte Farben mit Bedacht ein und sorgen Sie mit Farben für Orientierung.

Grundregel 2: Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche

Ein Schaubild kann und soll ein Thema nicht umfassend vermitteln, im Gegenteil: Es soll Strukturen und Abläufe veranschaulichen und sich dabei auf das Wesentliche konzentrieren. Details und Ausnahmen, Sonderfälle und Definitionen sind keineswegs unwichtig, haben ihren Platz aber in aller Regel nicht im Schaubild, sondern sollten in einem begleitenden Text untergebracht werden. Manchmal bieten sich auch ergänzende Fußnoten an. Bitte beschränken Sie sich dann aber auf das Allernötigste und fassen Sie sich so kurz wie möglich. Ein Schaubild ist keine wissenschaftliche Arbeit.

Grundregel 2: Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche

Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren klingt leicht, ist es aber in der Praxis häufig nicht, denn es fehlt ein Maßstab, an dem Sie sich orientieren können. Erschwerend kommt hinzu, dass wir als Jurist(inn)en auf Vollständigkeit bedacht sind. Eine Regel können wir nicht vermitteln, ohne zu erwähnen, dass es auch noch 10 Ausnahmen von dieser Regel gibt. Wir glauben, uns sonst angreifbar zu machen. Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Sie müssen sich von diesem Denken verabschieden, wenn Sie ein gutes Schaubild erstellen wollen, denn hier ist Ihre Fähigkeit zur Reduktion gefragt, Ihre Fähigkeit, auf den Punkt zu kommen und Inhalte zu vereinfachen. Vielleicht helfen Ihnen folgende Tipps dabei, den Schalter im Kopf umzulegen:

  • Fragen Sie sich, was genau Sie eigentlich mit dem Schaubild vermitteln wollen. Was soll der Betrachter verstehen? Welchen Zusammenhang soll er erkennen? Berücksichtigen Sie dabei sein Vorwissen.
  • Trainieren Sie, sich von Inhalten zu trennen. (Sie dürfen sie auch in einen begleitenden Text verschieben.)
  • Freunden Sie sich mit dem Gedanken an, dass das Schaubild nicht Ihr gesamtes Wissen zum Thema abbilden wird.
  • Beschreiben Sie Ihr noch nicht vorhandenes Schaubild mit Worten. Beschränken Sie sich dabei auf 2-3 Sätze. Sie werden merken, dass das ganz schön schwierig sein kann. Haben Sie es aber geschafft, wissen Sie damit auch, was wesentlich ist: nämlich alles, was erforderlich ist, um den identifizierten zentralen Inhalt des Schaubildes zu transportieren. Alles andere können Sie weglassen oder streichen.

Selbst wenn Sie sich auf das Wesentliche konzentrieren, kann es sein, dass Ihr Schaubild zu komplex wird oder der Ihnen zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht. Dann erstellen Sie lieber mehrere Schaubilder. Abfolgen können Sie z. B. in einzelne Ablaufschritte aufteilen und Teilaspekte auslagern.

Grundregel 3: Optimieren Sie die Lesbarkeit

Grundregel 3: Optimieren Sie die Lesbarkeit

Schaubilder sollen sich den Betrachter(inne)n möglichst ohne Anleitung erschließen. Die 3. Grundregel lautet deshalb: Optimieren Sie die Lesbarkeit! Dies betrifft den Text innerhalb des Schaubildes ebenso wie das verwendete Bildmaterial. Darüber hinaus muss die Leserichtung erkennbar sein. Im Einzelnen:

Formulieren Sie Text klar und verständlich

Fassen Sie sich möglichst kurz, aber auch nicht so kurz, dass das Schaubild unverständlich wird. Orientieren Sie sich bei der Wortwahl an den Vorkenntnissen der Zielgruppe. Vermeiden Sie Abkürzungen bzw. nutzen Sie nur Abkürzungen, welche die Zielgruppe versteht. Bei einer juristisch vorgebildeten Zielgruppe sollten Sie auch wichtige Rechtsvorschriften nennen.

Verwenden Sie eindeutige Bilder, die zum Inhalt passen 

Leichter gesagt als getan, denn Piktogramme und Figuren können häufig sehr viele Bedeutungen haben. Die Wahrscheinlichkeit ist deshalb sehr groß, dass Ihre Zielgruppe das Schaubild anders versteht, als Sie es gemeint haben. Um das zu verhindern, können und müssen Sie Bildelementen mit Text eine eindeutige Bedeutung zuweisen.

Nun werden Sie vielleicht sagen: Na gut, also wenn ich die Bilder erst beschriften muss, kann ich doch gleich auch ganz auf sie verzichten und nur Text einsetzen. Der ist wenigstens eindeutig. In Bezug auf den Text ist das tatsächlich so. Das Problem ist nur: Der Text allein ist nicht anschaulich. Text und Bild brauchen also einander, um die Botschaft optimal zu transportieren und im Kopf der Betrachterin zu verankern.

Text und Bild ergänzen sich

Überlegen Sie, eine Legende zu verwenden? Das liegt insofern nahe, als Sie hier klar definieren können, welche Bedeutung die verwendeten Bilder, Formen und Zeichen haben sollen. Es ist für die Adressat(inn)en jedoch außerordentlich mühsam, das Schaubild zu lesen, wenn ihr Blick immer wieder zur Legende wandern muss, um die Bestandteile des Schaubildes richtig zu deuten und zu verstehen. Vergleichen kann man dies mit einem Text, bei dem an jedem oder jedem zweiten Wort eine Fußnote steht, die den jeweiligen Begriff erklärt. Hier werden Sie auch nicht viel Freude beim Lesen haben. Versuchen Sie also nach Möglichkeit, ohne Legende auszukommen. Ist sie unumgänglich, weil das Schaubild sonst mit Informationen überfrachtet würde, halten Sie sie so kurz wie eben möglich.

Prüfen Sie, ob die Leserichtung des Schaubildes erkennbar ist

Pfeile erleichtern nicht immer die Lesbarkeit eines Schaubildes

Normalerweise liest man von oben nach unten und von links nach rechts. Zusätzlich können Pfeile helfen, den Blick des Betrachters zu führen, oder Sie nummerieren einzelne Bestandteile des Schaubildes. Dass die Leserichtung trotz Pfeilen unklar sein kann, zeigt das auf seine Struktur reduzierte Beispiel aus der Praxis links. Offen bleibt hier, welcher Weg einzuschlagen ist, wenn man den oberen Kasten hinter sich gelassen hat, denn jeder der folgenden drei Kästen kann direkt über einen Pfeil angesteuert werden. Dabei verwirren besonders die drei Linien/Pfeile, die am senkrechten Pfeil in der Mitte ansetzen.

Berechnung der Pflichtteilsquoten bei Zugewinngemeinschaft

Auch bei Tabellen kann es zuweilen schwierig sein, die Tabellenstruktur optisch kenntlich zu machen. In dem Beispiel unten bestand die Herausforderung z. B. darin, mit gestuften Spaltenüberschriften zu arbeiten, Berechnungen in die Zeilen einzubauen und überdies deutlich zu machen, dass sich die Pflichtteilsquoten aus den gesetzlichen Erbquoten ergeben.


Nicola Pridik

Nicola Pridik
Ich bin Juristin und Inhaberin des Büros für klare Rechtskommunikation in Berlin. Mit meinen Dienstleistungen unterstütze ich Sie dabei, Rechtsinformationen verständlich und anschaulich für Ihre Zielgruppe(n) aufzubereiten. Dabei steht die Visualisierung von Recht im Mittelpunkt. kontakt@npridik.de


Warum es sinnvoll ist, Gerichtsentscheidungen auch visuell aufzubereiten

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